Heute erschien ein Artikel zur Gründung der Mint System in der Urner Zeitung. Hier gehts es zur Front und hier zum Artikel. Damit der Inhalt indexiert werden kann, haben wir ihn hierin kopiert.
Sie wollen von der Krise profitieren
Landrat Kurt Gisler und Wirtschaftsinformatiker Janik von Rotz von Mint System arbeiten an ihren Plänen im Working Point Altdorf. Bild: PD
Zwei Urner Landräte gründen zusammen mit einem Wirtschaftsinformatiker ein Start-up – und hoffen auf einen Digitalisierungsschub.
Christian Tschümperlin
Mitten in der Coronakrise gründen zwei Urner Landräte ein Start-up für IT-Dienstleistungen. Vom Virus lassen sie sich nicht beirren, im Gegenteil: «Corona wird unser Geschäftsfeld beschleunigen, jetzt wo die Menschen angehalten sind, zu Hause zu bleiben, und viele Firmen deshalb auf virtuelle Kollaboration setzen», ist Firmengründer und CVP-Landrat Kurt Gisler aus Altdorf überzeugt. Der Urner war bisher ausserhalb des Kantons tätig und schafft sich mit dem Start-up erstmals ein berufliches Standbein in seinem Heimatkanton. An der Richtigkeit des Entscheides hat er keine Zweifel: «Uri ist ein interessanter Kanton, um ein Unternehmen zu starten. Urner, die sich einmal kennen, vertrauen einander.»
Zusammen mit FDP-Landrat Marco Roeleven (Altdorf) – er hat Erfahrungen in der Software-Entwicklung und im Verkauf – und dem Wirtschaftsinformatiker Janik von Rotz will er frischen Wind in die Urner IT-Landschaft bringen. Am 25. März, kurz nach dem Lockdown, liess das Trio die neue Firma Mint System GmbH offiziell ins Handelsregister eintragen. Seither ist der vierfache Familienvater Kurt Gisler wie verändert. «Ich spüre, dass es meinem Mann wohl ist bei dem, was er tut. Mit dieser Firma kann er sich selbst verwirklichen und wir sind froh darüber und unterstützen ihn dabei», sagt dessen Ehefrau Béatrice Maulaz.
Auf Tuchfühlung mit der Selbstbestimmung
Auch Janik von Rotz schätzt die neuen Möglichkeiten: «Bei meinen früheren Arbeitgebern vermisste ich ein gewisses Mass an Selbstverantwortung und Mitbestimmungsrecht, nun bekomme ich genügend davon. Dass wir zu dritt sind und viel Erfahrung mitbringen, motiviert mich ungemein.» Der Anstoss zur Firmengründung kam von Marco Roeleven, der ein neues Geschäftsfeld erschliessen wollte. Er führte Gespräche mit Kurt Gisler und Janik von Rotz. Die jetzige Zusammensetzung findet er für den Start ideal, weil jeder Geschäftspartner einen wichtigen Bereich abdecke.
Das neue Unternehmen spezialisiert sich auf moderne IT-Lösungen, Server-Services und Management-Beratungen auf dem Gebiet von Enterprise Ressource Planning (ERP). Dabei handelt es sich um Computerprogramme, die Daten aus der ganzen Firma zusammenführen und so unternehmerische Entscheide erleichtern. Deshalb auch der Firmenname: Mint System steht für ein System der Management-Intelligenz. «Da gibt es noch Potenzial in der Schweizer Industrie», so Gisler.
Start-up setzt auf Open Source
Das Besondere am Start-up: Man hat sich voll und ganz Open Source verschrieben. Das sind Computerprogramme, deren Code offenliegt. Damit kann jeder die Programmierung der Software nachvollziehen. Dies ist ein wichtiges Anliegen für Gisler: «So verbessert sich die Mündigkeit der Anwender im Umgang mit der Digitalisierung.» Open-Source-Anwendungen werden von einem weltweiten Netzwerk freier Programmierer entwickelt. «Dabei wird sehr viel Kreativität freigesetzt. Heute kann Open Source punkto Qualität und Kompatibilität durchaus mit den lizenzpflichtigen Programmen mithalten und wird dadurch zu einer echten Alternative. Bezüglich Preis-Leistungs-Verhältnis ist sie oft die bessere Wahl.» Kurt Gisler, Janik von Rotz und Marco Roeleven wollen ihre Kompetenzen auf dem Gebiet bündeln und andere Firmen beim Übergang zu Open Source unterstützen. «Uns allen liegt die digitale Unabhängigkeit der Unternehmen sehr am Herzen und wir sehen Open Source als die perfekte Plattform dafür, diese zu erreichen.»
Er hofft, damit beim Urner Gewerbe offene Türen einzurennen. «Unternehmer sind Querdenker genau wie ich. Sie wissen die Werte von Unabhängigkeit und Datenschutz zu schätzen.» Der Datenschutz sei denn auch einer der Vorteile von Open Source. Weil der Quellcode für jedermann zugänglich sei, würden Hintertürchen im Programm schnell beseitigt.
Heraustreten aus dem Schatten der Grossen ist schwierig
Gisler ist ein langjähriger Verfechter von Open Source. Er hat sich schon im Landrat dafür starkgemacht. Sein Postulat zur Förderung der freien Software wurde gegen den Willen der Regierung überwiesen. Von der Antwort des Regierungsrates hatte er sich damals mehr erhofft: «Einige der im Bericht beschriebenen Massnahmen gehen in die richtige Richtung. Trotzdem vermisse ich den ernsthaften Willen», sagte er Ende 2019 gegenüber unserer Zeitung. Der Landrat gelangte bald zur Erkenntnis, dass Open Source auch deshalb im Kanton Uri noch ein Nischendasein fristet, weil es an spezialisierten Firmen dafür fehlt. Deshalb nahmen er und seine Mitstreiter das Heft in die Hand. Bei der Unternehmensgründung konnte das Dreiergespann auf die volle Unterstützung des Kantons zählen (siehe Interview am Ende des Textes). «Wir fühlen uns sehr gut unterstützt durch die Behörden. Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung Uri klappt ausgezeichnet.»
Der heute 49-Jährige setzt sich für Open Source ein, seit er zum ersten Mal damit in Berührung kam. Das war vor 25 Jahren. Damals kam er frisch von der Hochschule. Er hatte an der ETH Zürich und später am Abendtechnikum der Innerschweiz in Horw ein Studium als Elektroingenieur abgeschlossen. Kurz darauf stiess er zu einer Beratungsfirma in Luzern. «Unser Entwicklungsleiter brachte Open Source bei uns ein. Wir waren völlig baff und hellbegeistert ab den neuen Möglichkeiten, die sich uns da auftaten.» Das Team beschloss, sich ans Werk zu machen und eine eigene Software auf Open-Source-Basis zu entwickeln: «Schon nach 20 Wochen war unser erstes Programm einsatzbereit. Es diente anderen Unternehmen zur ISO-Zertifizierung.» Die Erfahrung hat ihn nie wieder losgelassen. «Ich wurde damals mit Open Source geimpft», sagt er rückblickend.
Erste Gespräche mit interessierten Firmen
Im Laufe seiner Karriere sollte Gisler Open Source noch oft begegnen: So war er später bei verschiedenen Firmen der Luftfahrtbranche in Management-Positionen tätig und entwickelte Führungssysteme. Oft mit Open Source. Über die Jahre kam einiges an Erfahrung auf dem Gebiet zusammen. Allerdings sagt er heute: «Der Rahmen innerhalb einer Firma ist mir manchmal zu eng. Deshalb gründe ich nun zum ersten Mal zusammen mit Kollegen eine Firma, mit der wir auch finanziell völlig unabhängig sind und unsere eigenen Entscheide treffen können.» Gisler kann es kaum erwarten, sich am Urner Markt zu messen. Die ersten Gespräche mit interessierten Firmen laufen bereits.